Erstmalig berichtet die Bundesagentur für Arbeit (BA) über die Entwicklungen am Arbeitsmarkt nach Migrationshintergrund. Danach haben 35 % der Arbeitslosen einen Migrationshintergrund. Der Anteil Arbeitsloser mit Migrationshintergrund ohne abgeschlossene Berufsausbildung liegt mit 52 % leicht über dem Anteil derjenigen ohne Migrationshintergrund (48 %). Anders sieht es bei einer abgeschlossenen betrieblichenoder schulischen Ausbildung aus: hier liegt der Anteil bei Personen mit Migrationshintergrund mit 18 % weit niedriger (82 % bei ohne Migrationshintergrund). Weitere Auswertungen zu den Eckwerten am Arbeitsmarkt nach Migrationshintergrund sind online verfügbar.
Archiv des Autors: Susanne Gerull
Vertafelung der Gesellschaft?
Mit einer dreitägigen Aktion hat das „Kritische Aktionsbündnis 20 Jahre Tafeln“ in Berlin die „Vertafelung der Gesellschaft“ infrage gestellt und diskutiert. Ausführliche Berichte dazu finden sich auf der eigenen Website sowie dem Artikel auf evangelische.de, die als eines der wenigen Medien auf die besondere Bedeutung von Betroffenengruppen eingeht, hier vor allem zusammengeschlossen im Armutsnetzwerk.
Auf der Straße leben ist nun in Ungarn strafbar
Draußen schlafen ist nun endgültig strafbar in Ungarn. Wie ein aktueller Artikel in der Berliner Zeitung ausführt, kann mit Geldstrafe oder Haft bestraft werden, wer draußen schläft und nicht die Notünterkünfte nutzt. KritikerInnen glauben den politisch Verantwortlichen nicht, dass es ihnen um den Schutz vorm Erfrieren geht, sollen doch wohl eher die Geschäftspassagen und Einkaufszentren vor den Ärmsten der Armen geschützt werden.
Subjektive Armut geringer als relative Armut in Deutschland
Eine neue Vergleichsstudie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ergibt einen deutlichen Unterschied von der subjektiven (bzw. „gefühlten“) Armut der Deutschen im Gegensatz zur objektiv gemessenen (relativen) Einkommensarmut: Während der Anteil relativ armer Menschen (Einkommen weniger als 60 % des mittleren Einkommens) in Deutschland bei konstant 15-16 % liegt, fühlen sich nur 11 % der Bevölkerung als arm. Dies liegt vor allem daran, dass die sogenannte Armutsrisikogrenze von 60 % eher etwas über die Verteilung des Einkommens in einem Land oder einer Region aussagt und nichts über die Höhe des Einkommens. Es werden also Äpfel mit Birnen verglichen. Interessant ist aber der europäische Vergleich, denn diese Diskrepanz findet sich in anderen Ländern zwar auch – aber umgekehrt: Im Europäischen Durchschnitt liegt der Anteil subjektiv empfundener Armut bei 19 %, der Anteil relativer Armut dagegen nur etwas über dem in Deutschland. Mehr dazu in einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (der Bericht des IW ist nicht kostenlos verfügbar).
Risiko Minijobs
Wie in einer bereits 2012 erschienenen, aber nicht vom BMFSFJ beworbenen Studie (danke an die taz für die Recherche!) festgestellt wurde, werden Minijobs ihrem Anspruch, eine Brücke in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu sein, selten gerecht. Dies betrifft vor allem Frauen, für die Minijobs nur kurzfristige ökonomische Vorteile bieten: Die sogenannten Klebeeffekte bewirken laut Studie, dass Frauen auch bei dauerhafter Tätigkeit im Minijob nicht mehr als qualifizierte Fachkraft gelten. Nachteile wie nicht erworbene Rentenansprüche kommen hinzu. Immerhin üben laut Studie 3,1 Millionen von den 4,6 Millionen weiblichen Minijobberinnen keine weitere Erwerbstätigkeit aus. Minijobs können damit eine echte Armutsfalle sein.
UN-Bericht zur menschlichen Entwicklung
Vielbeachtet hat die UN ihren Bericht zur menschlichen Entwicklung 2013 vorgestellt. Im Kontext von Armut ist die wichtigste Erkenntnis wohl die, dass die Zielvorgabe für die
Beseitigung der Armut im Rahmen der Millenniums-Entwicklungsziele heute schon erreicht ist: die Halbierung des Anteils der Menschen, die mit weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag leben müssen, zwischen 1990 und 2015. 1,25 US-Dollar pro Tag gelten zz. als Grenze für absolute Armut, d. h. die Grenze fürs physische Überleben. Interessant ist auch, dass mehr als 40 Entwicklungsländer in den letzten Jahrzehnten größere Fortschritte auf dem Gebiet der menschlichen Entwicklung erzielten, als den Prognosen zufolge zu erwarten waren.
Link zum Bericht inkl. Kurzfassung
Reaktionen auf den 4. Armuts- und Reichtumsbericht
Wie bereits bei Bekanntwerden des Entwurfs (s. Armutsblog vom 4.12.12) sind die Reaktionen auf den nunmehr im Kabinett abgestimmten 4. Armuts- und Reichtumsbericht (ARB) der Bundesregierung ein ziemliches Desaster für das zuständige Sozialministerium. Die empörten Reaktionen beziehen sich weniger auf die präsentierte Datenlage als auf den Vorwurf, der Bericht sei „frisiert“ worden – oder wie die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles in Spiegel Online zitiert wird: „Vor Fälschung wurde hier nicht zurückgeschreckt“. Geschönt wurde vor allem bei der Interpretation der Daten, so wurde bspw. der doch bedeutsame Befund einer sehr ungleichen Verteilung der Privatvermögen auf den Kommentar zu einer Tabelle im hinteren Teil des Berichts reduziert und in den ausschließlichen Kontext einer Ost-West-Spaltung gestellt. „Peinliche Hofberichterstattung“, findet Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband DPW in einer Pressemitteilung, der Tenor bei den anderen Wohlfahrtsverbänden ist ähnlich. Nun bleibt zu hoffen, dass auch die Befunde selbst es in die Berichterstattung schaffen und Strategien zur Überwindung von Armut und Ungleichheit zum Wahlkampfthema werden.
Zu wenig soziale Gerechtigkeit in Deutschand?
Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach im Auftrag der (neoliberalen) Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft zum Thema Gerechtigkeit hat ergeben, dass fast 70 Prozent der Deutschen eine wachsende Gerechtigkeitslücke empfinden. Insgesamt 43 % der 3.000 Befragten sind der Ansicht, dass die Marktwirtschaft zu weniger sozialer Gerechtigkeit führt. Diese wird definiert als vom Lohn für seine Arbeit gut leben können, Chancengleichheit auf eine gute Schulbildung und eine Grundsicherung für Menschen in Not. Chancengerechtigkeit ist den Deutschen nach dieser Umfrage wichtiger als Verteilungsgerechtigkeit.
Link zu den Ergebnissen der Umfrage
Zahlenspiele – wie groß ist der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern wirklich?
Jutta Allmendinger, Leiterin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) legt in einem Kommentar für die tageszeitung/taz die „Rheinischen Zahlenspiele“ dar, mit denen der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern von ca. einem Viertel („Gender Pay Gap“ für Westdeutschland laut Statistischem Bundesamt) auf weniger als 2 % heruntergerechnet wird – und zwar durch Ausblendung all der Faktoren, die zur Lohnlücke führen: Teilzeit, geringer entlohnte Berufe, strukturell erzwungene Pausen. Ihr Fazit: „Die Nachricht von der fast erreichten Lohngleichheit ist eine Ente“.
Weihnachtspause
Der Armutsblog verabschiedet sich in eine Weihnachtspause und wünscht allen entspannte Feiertage und einen guten Rutsch ins Neue Jahr. Ab Januar versorgen wir Sie wieder mit Informationen rund um das Thema Armut.