Archiv für den Monat: März 2013

Subjektive Armut geringer als relative Armut in Deutschland

Eine neue Vergleichsstudie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ergibt einen deutlichen Unterschied von der subjektiven (bzw. „gefühlten“) Armut der Deutschen im Gegensatz zur objektiv gemessenen (relativen) Einkommensarmut: Während der Anteil relativ armer Menschen (Einkommen weniger als 60 % des mittleren Einkommens)  in Deutschland bei konstant 15-16 % liegt, fühlen sich nur 11 % der Bevölkerung als arm. Dies liegt vor allem daran, dass die sogenannte Armutsrisikogrenze von 60 % eher etwas über die Verteilung des Einkommens in einem Land oder einer Region aussagt und nichts über die Höhe des Einkommens. Es werden also Äpfel mit Birnen verglichen. Interessant ist aber der europäische Vergleich, denn diese Diskrepanz findet sich in anderen Ländern zwar auch – aber umgekehrt: Im Europäischen Durchschnitt liegt der Anteil subjektiv empfundener Armut bei 19 %, der Anteil relativer Armut dagegen nur etwas über dem in Deutschland. Mehr dazu in einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (der Bericht des IW ist nicht kostenlos verfügbar).

Artikel FAZ

 

 

Risiko Minijobs

Wie in einer bereits 2012 erschienenen, aber nicht vom BMFSFJ beworbenen Studie (danke an die taz für die Recherche!)  festgestellt wurde, werden Minijobs ihrem Anspruch, eine Brücke in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu sein, selten gerecht. Dies betrifft vor allem Frauen, für die Minijobs nur kurzfristige ökonomische Vorteile bieten: Die sogenannten Klebeeffekte bewirken laut Studie, dass Frauen auch bei dauerhafter Tätigkeit im Minijob nicht mehr als qualifizierte Fachkraft gelten. Nachteile wie nicht erworbene Rentenansprüche kommen hinzu. Immerhin üben laut Studie 3,1 Millionen von den 4,6 Millionen weiblichen Minijobberinnen keine weitere Erwerbstätigkeit aus. Minijobs können damit eine echte Armutsfalle sein.

Link zur Studie

UN-Bericht zur menschlichen Entwicklung

Vielbeachtet hat die UN ihren Bericht zur menschlichen Entwicklung 2013 vorgestellt. Im Kontext von Armut ist die wichtigste Erkenntnis wohl die, dass die Zielvorgabe  für die
Beseitigung der Armut im Rahmen der Millenniums-Entwicklungsziele heute schon erreicht ist: die Halbierung des Anteils der Menschen, die mit weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag leben müssen, zwischen 1990 und 2015. 1,25 US-Dollar pro Tag gelten zz. als Grenze für absolute Armut, d. h. die Grenze fürs physische Überleben. Interessant ist auch, dass mehr als 40 Entwicklungsländer in den letzten Jahrzehnten größere Fortschritte auf dem Gebiet der menschlichen Entwicklung erzielten, als den Prognosen zufolge zu erwarten waren.
Link zum Bericht inkl. Kurzfassung

Reaktionen auf den 4. Armuts- und Reichtumsbericht

Wie bereits bei Bekanntwerden des Entwurfs (s. Armutsblog vom 4.12.12) sind die Reaktionen auf den nunmehr im Kabinett abgestimmten 4. Armuts- und Reichtumsbericht (ARB) der Bundesregierung ein ziemliches Desaster für das zuständige Sozialministerium.  Die empörten Reaktionen beziehen sich weniger auf die präsentierte Datenlage als auf den Vorwurf, der Bericht sei „frisiert“ worden – oder wie die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles in Spiegel Online zitiert wird:  „Vor Fälschung wurde hier nicht zurückgeschreckt“. Geschönt wurde vor allem bei der Interpretation der Daten, so wurde bspw. der doch bedeutsame Befund einer sehr ungleichen Verteilung der Privatvermögen auf den Kommentar zu einer Tabelle im hinteren Teil des Berichts reduziert und in den ausschließlichen Kontext einer Ost-West-Spaltung gestellt. „Peinliche Hofberichterstattung“, findet Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband DPW in einer Pressemitteilung, der Tenor bei den anderen Wohlfahrtsverbänden ist ähnlich. Nun bleibt zu hoffen, dass auch die Befunde selbst es in die Berichterstattung schaffen und Strategien zur Überwindung von Armut und Ungleichheit zum Wahlkampfthema werden.

Link zum 4. ARB

Spiegel Online zum Thema

Pressemitteilung des DPW