In ihrem am 09. Juni bekanntgegebenen Aktionsplan gegen Kinderarmut stellt die SPD u. a. folgende Maßnahmen/Handlungsansätze vor: Ausbau von Kindertagesstätten zu Eltern-Kind-Zentren, Verbesserung der Betreuungsqualität und Sicherung eines gesundes Mittagessens für alle Kinder, gebührenfreie Bildung von der Kita bis zur Hochschule, Ableitung der Regelsätze vom Bedarf sowie die Einberufuzng einer Nationalen Kinderkonferenz. Dabei betont die SPD, bereits in den vergangenen Legislaturperioden einen Paradigmenwechsel in der Familien- und Bildungspolitik eingeleitet zu haben und gegen den Widerstand der CDU auch weiter fortsetzen zu wollen. So wird (natürlich) auch der Aktionsplan gegen Kinderarmut zur parteipolitischen Profilierung genutzt.
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Diskriminierung von Wohnungslosen im Lokalanzeiger
Im BAB Lokalanzeiger für den „Raum Strausberg und Randberlin“ konnte man in der Ausgabe 22 einige Daten und Fakten zum Thema Armut in Deutschland lesen, die sich offensichtlich auf den 3. Armuts- und Reichtumsbericht beziehen. Zum Schluss entgleist dem Autor jedoch die journalistische Sachlichkeit. Da es diesen Text online nicht zu lesen gibt, zitiere ich hier:
„Ein deutscher Obdachloser bezieht staatliche Sozialhilfezahlungen von circa 300 Euro pro Monat. Damit hat er ein Geldeinkommen, das höher ist als das Arbeitseinkommen eines ledigen Industriearbeiters in Ungarn, der einen Monatsnettolohn von 202 Euro bezieht, oder eines Arbeiters in der Slowakei, der 214 Euro pro Monat durch seine Arbeit verdient. Zusätzlich erhält der deutsche Obdachlose Unterkunft, Kleidung, medizinische Versorgung und oft auch Nahrung, kostenlos.“
Abgesehen davon, dass ein Großteil der Angaben nicht korrekt recherchiert ist, wird hier auf perfide Weise unterstellt, dass es sich der deutsche (?) Obdachlose (?) auf Kosten unseres Sozialsystems gut gehen lässt (ja quasi im Luxus lebt), während hart arbeitende Menschen mit weniger Geld auskommen müssen. Da hat der Autor die eingangs korrekt beschriebene Definition von relativer Armut (die sich am Durchschnittseinkommen eines Landes misst) offenbar gar nicht verstanden. Und wieso sucht er sich gerade die Gruppe wohnungsloser Menschen heraus? Da kann man nur spekulieren, welche Diskriminierungsgedanken hinter solch einem Artikel stehen. Eine Frage noch, Herr Dr. Donath: Dem ungarischen oder slowakischen Arbeiter geht’s doch super im Vergleich zu den hungernden Menschen in Bangladesch, oder???
Spenden fürs Jobcenter!
In einem Beitrag der Frankfurter Rundschau (FR) konnte man vor einigen Monaten die Erzählung von Pauline, 11 Jahre, nachlesen: „Wir sind arm“. Ein freundlicher Mensch wollte der Familie etwas Gutes tun und spendete insgesamt 250 Euro. Durch einen anonymen Hinweis wurde das Jobcenter Rostock auf die Spende aufmerksam und rechnete das Geld auf die monatliche Unterstützung an. Durch die Intervention des Spenders, der u. a. seinen Parteifreund Kurt Beck einschaltete, sieht das Jobcenter nun doch von der Rückforderung ab – es handelt sich bei „Spenden und angemessenen Geschenken zu besonderen Anlässen“ nämlich immer um eine Einzelfallentscheidung. Fragt sich nun nur noch, welcher Denunziant der kleinen Pauline die 250 Euro nicht gönnte.
„Der Sozialstaat wird rückgebaut“
In der heutigen Taz findet sich ein Interview mit dem Chefökonom des DGB zum Thema Sozialstaat und Arbeitslosigkeit. Lt. seiner Ansicht hat „die Agenda 2010 … mit dem Aufschwung genauso viel zu tun wie die Geburtenrate mit der Zahl der Störche“ – zumal der private Konsum trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs nicht in Schwung käme. Deutlich macht Hirschel im Interview, dass die Transferleistungen seit 1998 real um bis zu 13 % gekürzt wurden – durch die Absenkung der alten Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau, aber auch die Nicht-Anpassung anderer Leistungen an die steigenden Lebenshaltungskosten.
UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder in Deutschland
In Deutschland wächst die Kluft zwischen den Kindern, die gesund, abgesichert und gefördert aufwachsen und solchen, deren Alltag durch Hoffnungslosigkeit, Mangel und Ausgrenzung geprägt ist. Zu diesem Ergebniss kommt eine aktuelle Studie, die von Unicef in Auftrag gegeben wurde. Dabei wurden verschiedene Dimensionen des Aufwachsens von Kindern untersucht: materielle Risiken, Bildungschancen in Kindergarten und Schule, Gesundheit und Fragen der Migration.
Link zu näheren Informationen von Unicef und der Kurzfassung des Berichts
Link zum Entwurf des 3. Armuts- und Reichtumsbericht
Der Bericht ist noch nicht veröffentlicht – aber hat seinen Weg ins World Wide Web natürlich trotzdem schon gefunden!
Erhöhung des Wohngelds erstmal auf Eis
Wie die Tagesschau gestern Abend und heute diverse Tageszeitungen melden, ist die vom Bundestag beschlossene Wohngelderhöhung (s. Meldung vom 23.02.08) zunächst gestoppt – und zwar durch den Bundesrat. Zunächst sollen noch einige Streitfragen geklärt werden. Es wird nun befürchtet, dass z. B. die geplante Anknüpfung des Wohngelds an die Heizkosten infrage gestellt wird.
Das deutsche Sozialsystem ist nicht so effizient wie behauptet
Im Entwurf des 3. Armuts- und Reichtumsbericht wird behauptet: „Der Sozialstaat wirkt“ (s. Meldung von gestern). Eine Studie des Instituts zur Zukunft der Arbeit in Bonn hat ganz aktuell herausgefunden, dass Deutschland im europäischen Vergleich nur einen Platz im Mittelfeld einnimmt. Trotz eines BIP-Anteils der Sozialausgaben von fast 30% kommen nur etwa 2,5% der jährlich rund 700 Milliarden Euro den wirklich Armen zugute. Die beste „Performance“ hat Tschechien, gefolgt von der Slowakei und Slowenien.
Der Entwurf des neuen Armuts- und Reichtumsbericht kursiert schon
Lt. offizieller Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wird der neue Armuts- und Reichtumsbericht erst im Juni – nach der Verabschiedung im Kabinett – veröffentlicht. Selbstverständlich kursiert der „Entwurf“ aber bereits nicht nur unter JournalistInnen. Und so können wir staunend lesen , wie trotz des weiteren Anstiegs der Einkommensarmut und der Vergrößerung des Ungleichgewichts zwischen arm und reich die amtierende Regierung ihre bisherigen Maßnahmen preist. „Der Beschäftigungsaufschwung kommt bei allen an“, „Der Sozialstaat wirkt“ und unangenehme Nachrichten (12 % arme Kinder) werden mit dem Verweis gekontert, dass es anderswo noch schlimmer sei.
Hinzu kommt, dass es immer mehr Hinweise über die geschönte Datenbasis bzw. deren Interpretation gibt. So ist heute in der TAZ zu lesen, dass die Reduzierung der Armut durch Sozialtransfers von Experten wie denen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung angezweifelt wird, denn lt. ihren eigenen Berechnungen könne die Sozial- und Steuerpolitik immer weniger die Ungleichheiten zwischen GeringverdienerInnen und Einkommensstarken kompensieren. Auch das Soziologische Forschungsinstitut der Uni Göttingen (Sofi) habe herausgefunden, dass die staatliche Umverteilung ihre Wirkung verliere – Arme bleiben arm und Reiche bleiben reich.
Neuer Armuts- und Reichtumsbericht noch nicht abgestimmt
Wie den heutigen Tageszeitungen zu entnehmen ist, wurde der neue Armuts- und Reichtumsbericht zwar gestern von Sozialminister Scholz vorgestellt, ist aber noch nicht vom Bundeskabinett gebilligt. Dies wird wohl frühestens Ende Juni erfolgen, wenn sich das Bundeskabinett offiziell mit dem „Entwurf“ genannten Bericht beschäftigt. Deutlich wird bereits jetzt, dass es um diesen Bericht viel Gerangel geben wird, denn wie bspw. die TAZ heute berichtet, wird von Einigen das Datematerial angezweifelt, denn das Deutsche Institut für Wirtschaft kommt aufgrund anderer Zahlengrundlagen auf eine Armutsquote von 18 % statt der 13 %, die lt. Armuts- und Reichtumsbericht gemessen wurde. Gleichzeitig gehen die Parteien in die Spur und nutzen die Zahlen für ihre Anliegen: Mindestlöhne anheben vs. Regelsätze Hartz IV anheben vs. Steuern senken etc. Die Medien haben jedenfalls heute alle berichtet, hier eine kleine Auswahl: