Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat eine neue Studie vorgelegt, die eine „Trendwende bei der Armut“ (Die ZEIT vom 11.09.08) aufzeigt. So sei die Armut zwischen 2005 und 2006 von 18 auf 16,5 % gesunken. [Um keine Verwirrung aufkommen zu lassen: Im 3. Armuts- und Reichtumsbericht spricht die Bundesregierung von einer Armutsquote von 13 % in Deutschland. Das DIW hatte für denselben Zeitraum (auf einer anderen Datenbasis) eine Armutsquote von 18 % errechnet.] Lt. Bericht in der ZEIT geht das Sinken der Armutsquote auf den wirtschaftlichen Aufschwung 2006 zurück. Für 2007 und 2008 liegen noch keine Daten vor. Trotz der positiven Entwicklung von 2005 auf 2006 gibt das DIW zu bedenken, dass sich Armut in vielen Teilen der Bevölkerung verfestige, viele Betroffene seien über viele Jahre arm, es drohe eine „Sockelarmut“. Weiterhin sind Arbeitslose, Alleinerziehende und EinwandererInnen am stärksten von Armut betroffen.
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Neue Studie: Bildungschancen abhängig vom Sozialstatus der Eltern
Eine neue Studie der Uni Mainz belegt wieder einmal eindrucksvoll, wie sehr der Sozialstatus der Eltern die Bildungschancen ihrer Kinder beeinflusst. So kommen die Forscher in einer empirischen Studie in Wiesbaden zu dem Ergebnis, dass Kinder aus einer niedrigen sozialen Schicht auch bei gleichen Noten nicht die gleich hohe Bildungsempfehlung erhalten wie Kinder aus einer hohen Schicht. Bei einem Notendurchschnitt von 2,0 erhielten bspw. nur 76 % der Kinder aus einer niedrigen Schicht die Gymnasialempfehlung gegenüber 97 % aus der höchsten Bildungs- und Einkommensgruppe. Auch die festgestellte Diskriminierung von Kindern mit Migrationsstatus bei den Bildungsempfehlungen lässt sich nach Erkenntnis der Forscher mit deren meist niederigerem sozialen Status begründen.
Schlechte Chancen für MigrantInnen in Berlin
Bereits vom 27. August 2008 ist der Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), der sich mit den schlechten Jobchancen, dem geringen Einkommen und der hohen Transferabhängigkeit von MigrantInnen in Berlin beschäftigt. Neben vielen interessanten, wenn auch erschütternden Zahlen, wird als „Schlüssel für die Lösung des Problems“ von Karl Brenke (DIW) die bessere Qualifizierung der Betroffenen gefordert. Leider kommt er auch zu dem Schluss, dass „eine Anhebung der Sozialleistungen erhebliche negative Nebenwirkungen“ haben würde, da hiermit der Anreiz zu arbeiten sinken würde. Es ist schlicht unverständlich, dass die Erhöhung der Regelsätze immer als „entweder/oder“ diskutiert wird. „Lieber qualifizieren als finanzieren“ ist eine unseriöse Aussage: Wenn die Regelsätze des Arbeitslosengeldes II nicht für ein menschenwürdiges Leben ausreichen, müssen sie erhöht werden. Wenn MigrantInnen aufgrund einer schlechteren Bildung und Qualifikation schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, müssen sie besser qualifiziert werden. Nicht „oder“, sondern „und“.
Rückgang privater Insolvenzen
Positives wird in einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts berichtet: Die Verbraucherinsolvenzen nahmen im ersten Halbjahr 2008 um 9,8 % ab (ohne NRW). Insgesamt wurden 48 466 Privatinsolvenzen (mit NRW) gemeldet. Auch die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist gesunken.
Neuer OECD-Bericht zeigt Mängel des deutschen Bildungssystems auf
Die OECD hat ihren jährlich erscheinenden Überblick über international vergleichbare Bildungsstatistiken veröffentlicht. Wie schon in den letzten Jahren wird Deutschland attestiert, zu wenig in die Bildung zu investieren. Ganz konkret heißt das: Während im OECD-Durchschnitt 6,1 % des Bruttoinlandsprodukts in den Bildungsbereich fließen, sind es in Deutschland nur 5,1 %. Die Absolventenquote an Fachhochschulen und Unis wächst zwar, aber ebenfalls unterdurchschnittlich im internationalen Vergleich. In der online verfügbaren Zusammenfassung in deutscher Sprache werden die LeserInnen über sog. Statlinks zu den Tabellen und Grafiken im Excel-Format weitergeleitet. In englischer Sprache sind weitere Informationen verfügbar.
Niedrige Bildung schmälert Arbeitsmarktchancen – vor allem in Deutschland
Das Statistische Bundesamt hat am 5.9. in einer Pressemitteilung darauf hingewiesen, dass der (bekannte) Zusammenhang von niedriger Bildung und Arbeitslosigkeit besonders in Deutschland stark ausgeprägt ist. Im europäischen Vergleich wird Deutschland hier nur von der Slowakei und Tschechien getoppt. Während im EU-Durchschnitt 9,2 % der Menschen mit einfachem Bildungsniveau (höchstens Realschulabschluss, keine Ausbildung) arbeitslos sind, sind es in Deutschland 17,7 %. Die Erwerbslosenquote von Menschen mit einem hohen Bildungsniveau (AkademikerInnen und MeisterInnen) dagegen beträgt in Deutschland nur 3,7 %. In Großbritannien und Frankreich etwa ist der Zusammenhang zwischen Bildung und Arbeitsmarktchancen nicht so ausgeprägt.
Ulrich Schneider vom DPW ist sauer
Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, heute im Taz-Interview über die neue Studie zur Höhe der Hartz-IV-Regelsätze (s. Beitrag vom 4.9.) und das aktuell vermittelte Bild von Arbeitslosengeld-II-EmpfängerInnen in den Medien. Überschrieben ist das Interview mit dem Ausspruch von Schneider: „Die Diffamierung macht mich wütend“. Er stellt klar, dass Betrug sanktioniert werden muss, weist aber darauf hin, dass die Betrugsquote bei Hartz IV mit etwa 3 % sehr niedrig ist. Die gerade von der CSU-Generalsekretärin geforderten Verschärfungen seien schlicht Gesetzeslage und die aktuelle Medienkampagne von BILD und SAT 1 machen ihn wütend – und die Studie der beiden Chemnitzer Professoren bezeichnet er schlicht als „nur absurd“.
Arbeit und Anerkennung sind wichtiger als Geld!?
Nun hat endlich eine Studie herausgefunden, dass die Hartz-IV-Sätze nicht zu gering, sondern zu hoch sind! Die TU Chemnitz hat unter Leitung des Finanzexperten Friedrich Thießen herausgefunden: „Gemessen an den von der Gesellschaft festgelegten Zielen der sozialen Mindestsicherung sind die Hartz-IV-Gelder nicht zu niedrig, sondern eher zu hoch. Als gerecht wird das System dennoch von vielen nicht empfunden, weil es den Bedürftigen nur Geld gewährt und ihnen verwehrt, was sie wirklich wollen: Arbeit und Anerkennung.“ (Website). Wie dies ermittelt wurde, kann in der Kurzfassung der Studie sowie in einem Aufsatz nachgelesen werden. Und da bleibt einem wirklich die Spucke weg: Mit 132 Euro monatlich kann man angeblich im sog. „Minimumsfall“ leben, und großzügige 278 Euro sind dann der „Maximumsfall“. Die Studie zeichnet sich aus durch Fehler und unklare Formulierungen (z. B.: Jeder bekomme 350 Euro Regelsatz, der Regelsatz errechne sich aus einem Warenkorb ). Interessant sind dann aber vor allem die errechneten „Kosten der sozialen Mindestsicherung“. So werden im „Minimumsfall“ 1 Euro für Freizeit, Kultur und Unterhaltung angesetzt (und erklärt mit einer Bibliotheksgebühr) sowie 2 Euro für Kommunikation und 7 Euro für Gebrauchsgegenstände. Da schließe ich mich doch der Taz von gestern an, die in ihrer „verboten“-Rubrik schrieb: „Aber warum nur Hartz-IV-Empfänger mit 132 Euro monatlich alimentieren? Warum dieses großzügige Salär nicht auch zwei ganz verdienstvollen Chemnitzer Wirtschaftswissenschaftlern gewähren?“
Link zur Website der TU Chemnitz mit weiterer Verlinkung zu den Ergebnissen
50.000 Hartz-IV-Klagen beim Sozialgericht Berlin
Wie die Taz am Wochenende berichtete, ist beim Sozialgericht Berlin die 50.000. Klage gegen eine Entscheidung der Berliner JobCenter eingegangen. Gegenüber der Sozialhilfe hat sich die Anzahl der Klagen massiv erhöht, so rechnen die RichterInnen dieses Jahr mit ca. 21.400 neuen Verfahren gegenüber 6.500 Klagen zur Sozial- und Arbeitslosenhilfe 2004. Jeder/r Zweite gewinnt seine Klage, sodass nicht mehr wie zum Start von Hartz IV von einem Übergangsproblem gesprochen werden kann. Das Problem liegt im System, so wird Justizsenatorin Gisela von der Aue zitiert, die Sozialgerichte müssten die Lücken füllen, die der Gesetzgeber mit den vielen unbestimmten Rechtsbegriffen gelassen haben.
Pressemitteilung zu Niedriglohnstudie
Das Institut Arbeit und Qualifikation der Uni Duisburg-Essen (IAQ) hat heute eine Pressemitteilung zu ihrer Niedriglohnstudie (s. Blogbeitrag von gestern) veröffentlicht, die in einer Tabelle die Veränderung der Stundenlöhne seit 1995 aufzeigt. Die vollständigen Ergebnisse der Studie sind in den (kostenpflichtigen) WSI-Mitteilungen der Böcklerstiftung nachzulesen.