Der aktuelle Armutsbericht der brandenburgischen Landesregierung sorgt für Diskussionen – und Kritik. Wie mehrere Zeitungen gestern und heute berichten, diskutieren die Abgeordneten noch über den Armutsbegriff und geben den bisher unveröffentlichten Bericht noch nicht frei. Hintergrund ist lt. u. a. der Märkischen Allgemeinen Zeitung, dass im Bericht mit einer Armutsgrenze von 75 % vom Durchschnittseinkommen gearbeitet wird – in der Armutsforschung als Grenze zu prekären Lebensverhältnissen definiert. Relative (Einkommens)Armut dagegen wird nach einer EU-Festlegung als ein Einkommen von weniger als 60 % des Durchschnittseinkommens definiert. Bei der Berechnung der Armutsquote macht das lt. Bericht einen Unterschied zwischen 13,7 oder 25 % von Armut Betroffenen aus.
Archiv der Kategorie: Daten + Fakten
Neues für Hartz-IV-EmpfängerInnen
Nachdem der Bundesrat die Rechtsberatung für Hartz-IV- und SozialhilfeempfängerInnen einschränken bzw. verteuern will, hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass der Bezug von Sozialleistungen kein Grund für die Abschiebung von türkischen StaatsbürgerInnen sein darf. Im Einzelnen: Beratungshilfe kostet bisher 10 Euro, hier sollen zukünftig weitere 20 Euro fällig werden, wenn Schriftsätze durch die RechtsanwältInnen verfasst werden – zuviel für die meisten Hartz-IV- und SozialhilfeempfängerInnen. Motivation ist wohl die Eindämmung der Klageflut… Dafür hat der EGH wieder einmal in einem Urteil festgestellt, dass die Bundesrepublik das Assoziationsabkommen mit der Türkei einhalten muss, nach dem auch zugezogene EhepartnerInnen und Kinder nach 5 Jahren in Deutschland EU-BürgerInnen gleichgestellt sind. Im verhandelten Fall sollte ein 23-Jähriger Türke abgeschoben werden, da er Schule und Ausbildungsmaßnahme angebrochen hatte und Alg II bezog.
Neue Beschlüsse der großen Koalition
Der Koalitionsausschuss hat diverse Beschlüsse gefasst, die die BürgerInnen z. T. finanziell entlasten, z. T. aber auch stärker belasten werden: Mehr Kindergeld (von dem Alg-II-EmpfängerInnen nichts haben, da es als Einkommen angerechnet wird), weniger Arbeitslosenversicherungsbeitrag, für viele höhere Krankenkassenbeiträge und vieles mehr. Die Oppositionsparteien rügen aus unterschiedlichen Gründen die Beschlüsse, so sei auch das mitbeschlossene „Schulbedarfspaket“ – 100 Euro pro Schuljahr bis zum 10. Schuljahr für Alg-II-EmpfängerInnen – eine „klägliche Zuwendung“ (M. Kurth, Grüne).
SAT 1 verklagt von Hartz-IV-EmpfängerInnen
Lt. t-online haben mehrere Hartz-IV-EmpfängerInnen den Privatsender SAT 1 verklagt, weil in der Sozialfahnder-Serie „Gnadenlos gerecht“ Sachverhalte falsch dargestellt wurden bzw. ohne Zustimmung der Betroffenen gefilmt wurde. Z. T. sei den Gefilmten dadurch auch ein wirtschaftlicher Schaden entstanden. Obwohl gegen den Kreis Offenbach, bei dem die Sozialfahnder arbeiten, noch keine Klagen anhängig sein sollen, stellt sich die Frage, wie eine öffentliche Kommune solche Praktiken zulassen kann – und dadurch aktiv an der Diskrimierung und Kriminalisierung von SoziallleistungsempfängerInnen mitwirkt.
Demo am internationalen Tag für die Beseitigung der Armut
Für Fr., den 17.10.2008 ruft der Arbeitskreis „Marginalisierte – gestern und heute!“ zur Demo in Berlin auf. Forderungen sind u. a. die Bekämpfung jeder Form von Diskriminierung, Kriminalisierung und Ausgrenzung aller Menschen, die von Armut betroffen sind, und die Gewährleistung des Rechts auf existenzsichernde Arbeit unter menschenwürdigen Bedingungen.
Hochschulzugang abhängig vom Elternhaus
Wie in der aktuellen Studie „Eurostudent“ in einem Ländervergleich festgestellt wird, ist in Deutschland der Zugang zur Hochschule stark abhängig vom Bildungsstatus der Eltern – im Gegensatz zu anderen Ländern wie den Niederlanden. Nur 5 % aller Studierenden in Deutschland haben einen Vater mit Hauptschulabschluss (in der Gesamtbevölkerung sind es 12 %)! Rund 35 % eines Altersjahrgangs nehmen hier ein Studium auf – in den Niederlanden sind es fast 60 %. Als Ursache gilt die starke soziale Schichtung des deutschen Schulsystems.
DPW fordert Erhöhung des Kinderregelsatzes bis zu 40 %
In einer aktuellen Expertise rechnet der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband vor, dass die aktuellen Regelsätze für Kinder im SGB II deren Bedarf bei weitem nicht decken. Es wird in diesem Zusammenhang kritisiert, dass der Gesetzgeber einfach einen prozentualen Abschlag des Regelatzes für Erwachsene vorgenommen hat, ohne die besonderen Bedarfe von Kindern zu berücksichtigen. Erstmalig wurden daher lt. DPW in der Geschichte der Bedarfsfeststellung tatsächlich Daten von Familien und von Kindern ausgewertet.
Bildungszugang auch für sog. „Illegale“?
Lt. einem aktuellen Taz-Artikel soll es Kindern von sog. „Illegalen“ zukünftig ermöglicht werden, die Schule zu besuchen. Zz. müssen Schulen theoretisch die Ausländerbehörde informieren, wenn Kinder ohne Papiere in einer Schule angemeldet werden, was die Abschiebung der gesamten Familie zur Folge haben kann. Damit kann die UN-Kinderrechtskonvention mit dem auch von Deutschland zugesicherten Recht auf Bildung für diese Kinder nicht umgesetzt werden. Auch die CDU, die sich lange gesträubt hat, will diese unhaltbare Situation nun ändern. Ob das Anliegen der Großen Koalition tatsächlich realisiert werden kann,muss sich allerdings noch zeigen, denn einige Bundesländer wie Hessen sträuben sich.
Hartz-IV-Empfänger müssen Kontoauszüge vorlegen
Wie am Wochenende mehrere Tageszeitungen berichteten, hat das Bundessozialgericht am Freitag die Praxis der Jobcenter für rechtens entschieden, sich Kontoauszüge der Arbeitslosengeld-II-BezieherInnen vorlegen zu lassen. Lediglich bestimmte Angaben dürfen geschwärzt werden, aus denen z. B. die politischen oder sexuellen Präferenzen hervorgehen. Die Entscheidung ist vom BSG noch nicht online gestellt worden.
Tafeln in Not
Wie die ZEIT in ihrer aktuellen Ausgabe berichtet, können die Tafeln, die in Deutschland Bedürftige mit Lebensmitteln versorgen, ihre ehrenamtliche Aufgabe nur noch unter großen Schwierigkeiten und mit Einschränkungen wahrnehmen. Die Zahl der Betroffenen steigt, aber das Angebot der Geber sinkt. Supermärkte würden die Lebensmittel, die kurz vor dem Verfallsdatum stehen, mittlerweile lieber selbst in einer Angebotsecke verramschen, statt sie kostenlos an eine der 800 Tafeln abzugeben. Die hohen Spritpreise sind das andere Problem, auch hier fand sich bisher noch kein Sponsor. Am 1.10. zeichnet Ursula von der Leyen zum 15. Jubiläum der Tafeln einige der ehrenamtlichen HelferInnen aus. Spenden wären wohl derzeit eher willkommen…