Archiv für den Monat: September 2008

Niedrige Bildung schmälert Arbeitsmarktchancen – vor allem in Deutschland

Das Statistische Bundesamt hat am 5.9. in einer Pressemitteilung darauf hingewiesen, dass der (bekannte) Zusammenhang von niedriger Bildung und Arbeitslosigkeit besonders in Deutschland stark ausgeprägt ist. Im europäischen Vergleich wird Deutschland hier nur von der Slowakei und Tschechien getoppt. Während im EU-Durchschnitt 9,2 % der Menschen mit einfachem Bildungsniveau (höchstens Realschulabschluss, keine Ausbildung) arbeitslos sind, sind es in Deutschland 17,7 %. Die Erwerbslosenquote von Menschen mit einem hohen Bildungsniveau  (AkademikerInnen und MeisterInnen) dagegen beträgt in Deutschland nur 3,7  %.  In Großbritannien und Frankreich etwa ist der Zusammenhang zwischen Bildung und Arbeitsmarktchancen nicht so ausgeprägt.

Link zur Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts

Ulrich Schneider vom DPW ist sauer

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, heute im Taz-Interview über die neue Studie zur Höhe der Hartz-IV-Regelsätze (s. Beitrag vom 4.9.) und das aktuell vermittelte Bild von Arbeitslosengeld-II-EmpfängerInnen in den Medien. Überschrieben ist das Interview mit dem Ausspruch von Schneider: „Die Diffamierung macht mich wütend“. Er stellt klar, dass Betrug sanktioniert werden muss, weist aber darauf hin, dass die Betrugsquote bei Hartz IV mit etwa 3 % sehr niedrig ist. Die gerade von der CSU-Generalsekretärin geforderten Verschärfungen seien schlicht Gesetzeslage und die aktuelle Medienkampagne von BILD und SAT 1 machen ihn wütend – und die Studie der beiden Chemnitzer Professoren bezeichnet er schlicht als „nur absurd“.

Link zum Interview in der Taz

Arbeit und Anerkennung sind wichtiger als Geld!?

Nun hat endlich eine Studie herausgefunden, dass die Hartz-IV-Sätze nicht zu gering, sondern zu hoch sind! Die TU Chemnitz hat unter Leitung des Finanzexperten Friedrich Thießen herausgefunden: „Gemessen an den von der Gesellschaft festgelegten Zielen der sozialen Mindestsicherung sind die Hartz-IV-Gelder nicht zu niedrig, sondern eher zu hoch. Als gerecht wird das System dennoch von vielen nicht empfunden, weil es den Bedürftigen nur Geld gewährt und ihnen verwehrt, was sie wirklich wollen: Arbeit und Anerkennung.“ (Website). Wie dies ermittelt wurde, kann in der Kurzfassung der Studie sowie in einem Aufsatz nachgelesen werden. Und da bleibt einem wirklich die Spucke weg: Mit 132 Euro monatlich kann man angeblich im sog. „Minimumsfall“ leben, und großzügige 278 Euro sind dann der „Maximumsfall“. Die Studie zeichnet sich aus durch Fehler und unklare Formulierungen (z. B.: Jeder bekomme 350 Euro Regelsatz,  der Regelsatz errechne sich aus einem Warenkorb ). Interessant sind dann aber vor allem die errechneten „Kosten der sozialen Mindestsicherung“. So werden im „Minimumsfall“ 1 Euro für Freizeit, Kultur und Unterhaltung angesetzt (und erklärt mit einer Bibliotheksgebühr) sowie 2 Euro für Kommunikation und 7 Euro für Gebrauchsgegenstände. Da schließe ich mich doch der Taz von gestern an, die in ihrer „verboten“-Rubrik schrieb: „Aber warum nur Hartz-IV-Empfänger mit 132 Euro monatlich alimentieren? Warum dieses großzügige Salär nicht auch zwei ganz  verdienstvollen Chemnitzer Wirtschaftswissenschaftlern gewähren?“

Link zur Website der TU Chemnitz mit weiterer Verlinkung zu den Ergebnissen

50.000 Hartz-IV-Klagen beim Sozialgericht Berlin

Wie die Taz am Wochenende berichtete, ist beim Sozialgericht Berlin die 50.000. Klage gegen eine Entscheidung der Berliner JobCenter eingegangen. Gegenüber der Sozialhilfe hat sich die Anzahl der Klagen massiv erhöht, so rechnen die RichterInnen dieses Jahr mit ca. 21.400 neuen Verfahren gegenüber 6.500 Klagen zur Sozial- und Arbeitslosenhilfe 2004.  Jeder/r Zweite gewinnt seine Klage, sodass nicht mehr wie zum Start von Hartz IV von einem Übergangsproblem gesprochen werden kann. Das Problem liegt im System, so wird Justizsenatorin Gisela von der Aue zitiert, die Sozialgerichte müssten die Lücken füllen, die der Gesetzgeber mit den vielen unbestimmten Rechtsbegriffen gelassen haben.

Link zum Taz-Artikel vom Wochenende