Archiv für den Monat: Juni 2008

Armuts- und Reichtumsbericht verabschiedet

Gestern hat das Kabinett den 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung verabschiedet (zum Entwurf siehe diverse Beiträge, z. B. vom 23.5.08 und 27.5.08).  Die Fakten sind natürlich unverändert, aber offenbar sind sie umgedeutet und anders bewertet worden als im Entwurf. So berichtet die FR heute, dass Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) die vorgenommenen Veränderungen lobt. Anders sehen das die Wohlfahrtsverbände, so habe die Koalition lt. Caritasverband nicht zwischen sachlicher Analyse und politischer Wertung trennen können, der Sozialverband Deutschland bemängelt,  der Bericht habe die Auswirkungen jahrelangen „Sozialabbaus“ ausgeblendet.

Der Kommentar von Monika Kappus, ebenfalls FR, ist da noch deutlicher: Die Regierung habe es geschafft, Gegensätze zwischen Schwarz und Rot zuzuschmieren. So weichgespült, wie der Armutsbericht dank der Intervention von Unions-Wirtschaftsminister Glos sei, tauge er nicht zur Handlungsanweisung. Der Armutsbericht sei vor allem eins: ein Armutszeugnis in Schwarz-Rot.

Link zum Artikel in der FR

Link zum Kommentar von Monika Kappaus

AusländerInnen sind die Verlierer beim Thema Armut

Auf Spiegel.de ist aktuell ein Artikel über eine vom Chef des Bonner Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft, Meinhard Miegel, vorgelegte Studie zum Thema Armut zu lesen. Darin komme Miegel zu dem Schluss, dass die zunehmend ungleiche Verteilung der Einkommen in Deutschland kein Problem der Mittelschicht sei – die Chance auf Wohlstand hänge vielmehr entscheidend davon ab, ob man in eine deutsche Familie geboren sei. Eine weitere Risikogruppe seien Alleinerziehende.

Nun ist es seit Jahren bekannt, dass Alleinerziehende, kinderreiche Familien und Menschen mit Migrationshintergrund sowie Nichtdeutsche besonders stark von Armut betroffen sind. Miegel wende sich mit seiner Studie aber gleichzeitig gegen die „massenhafte Angst der Deutschen vorm sozialen Abstieg“. Vor allem die Mittelschicht sei nicht in dem Ausmaß betroffen wie zz. überall kolportiert und es gebe auch genügend „Gewinner“, so seien 2,1 Mio. Menschen 2006 in die „Liga der Topverdiener“ aufgestiegen – überwiegend sind dies deutschstämmige Familien und über 64-Jährige.

Link zum Spiegel-Online-Artikel

Kinderschutzchef zum Thema Kinderarmut im Interview

In der TAZ von gestern äußert sich der Präsident des Kinderschutzbundes zu den Vorschlägen der SPD und CDU  zum Thema Kinderarmut (s. a. die letzten Blogmeldungen zum Thema).  Er wendet sich gegen die gekürzten Regelsätze für Kinder beim  Arbeitslosengeld II, da diese willkürlich festgesetzt worden seien. Im Gegensatz dazu fordert er eine Grundsicherung für Kinder in Höhe von run d 400 Euro pro Kind – und zwar für alle Kinder – ob arm oder reich. Dies würde auch das gegenwärtige Kindergeld überflüssig machen.

Link zum Interview in der TAZ

Plan gegen Kinderarmut der CDU

Nach dem Aktionsplan der SPD gegen Kinderarmut (s. Meldung vom 11. Juni) hat nun auch die CDU ihre Pläne zum Thema vorgestellt. Ihre Vorschläge: Frühzeitig fördern – mehr Bildung für alle (u. a. verbindliche Sprachtests für alle Kinder im Alter von vier Jahren), Familien stärken – Chancen für Kinder (u. a. mehr Kindergeld und die Ausweitung der Betreuungsplätze). Daneben steht die CDU auch weiterhin für die „Heim+Herd-Prämie“, so kündigt sie an, ab 2013 ein Betreuungsgeld für diejenigen einzuführen, „die sich zuhause um ihre Kinder kümmern“.

Link zum Flyer mit den Forderungen der CDU

Bildung schützt vor Armut nicht

In einem Beitrag in der heutigen Frankfurter Rundschau stellt der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge etwas provokant fest: „Bildung schützt vor Armut nicht“. Dabei stellt er nicht infrage, dass Bildung wichtig ist, sondern wendet sich gegen die „Pädagogisierung der Armut“ und die „Mythologisierung der Bildung“, wenn dies in Form „leerer Bildungsversprechen“ und „illusionärer Aufstiegshoffnungen“ passiert. „Geld ist weiß Gott nicht alles, aber ohne Geld sind die meisten kulturellen und Bildungsambitionen nicht viel wert!“ – und so fordert Butterwegge in seinem Beitrag zunächst und vor allem, die Reichen stärker zur Kasse zu bitten und damit hilfebedürftigen Familien ihren Lebensunterhalt zu sichern – und zwar auf einem anderen Niveau als heute, wo für Bildung 0 Cent und für Kindernahrung völlig unzureichende Sätze vorgesehen sind.

Link zum Artikel in der FR

Blauer Brief für Kultusminister

 In der Ausgabe vom 05. Juni berichtet die Zeit exklusiv über eine unveröffentlichte Studie von Bildungsforschern (deren Ergebnisse den Auftraggebern, nämlich den Kultusministern von Bund und Ländern, offenbar nicht gefallen). Die Forscher fordern vor allem die systematische Förderung der leistungsschwächsten SchülerInnen und kritisieren dabei auch die fehlende Kontrolle, ob das Bundesprogramm für die Errichtung neuer Ganztagsschulen überhaupt die sogenannten RisikoschülerInnen erreicht. Hilfe für diese Zielgruppe sei „breit und unspezifisch“ – jeder Fünfte der deutschen NeuntklässlerInnen gehört zu den „Zukunftslosen“. Sie regen daher ein „Bildungsminimum“ an, das von niemandem verfehlt werden darf.  Es bleibt abzuwarten, ob diese Studie letztendlich für den Papierkorb durchgeführt wurde oder die Kultusminister doch noch die „Mahnungen“ der Bildungsforscher zur Kenntnis nehmen.

Link zum Artikel der Zeit 

Aktionsplan der SPD gegen Kinderarmut

In ihrem am 09. Juni bekanntgegebenen Aktionsplan gegen Kinderarmut stellt die SPD u. a. folgende Maßnahmen/Handlungsansätze vor: Ausbau von Kindertagesstätten zu Eltern-Kind-Zentren, Verbesserung der Betreuungsqualität und Sicherung eines gesundes Mittagessens für alle Kinder, gebührenfreie Bildung von der Kita bis zur Hochschule, Ableitung der Regelsätze vom Bedarf sowie die Einberufuzng einer Nationalen Kinderkonferenz. Dabei betont die SPD, bereits in den vergangenen Legislaturperioden einen Paradigmenwechsel in der Familien- und Bildungspolitik eingeleitet zu haben und gegen den Widerstand der CDU auch weiter fortsetzen zu wollen. So wird (natürlich) auch der Aktionsplan gegen Kinderarmut zur parteipolitischen Profilierung genutzt.

Link zum Aktionsplan der SPD

Diskriminierung von Wohnungslosen im Lokalanzeiger

Im BAB Lokalanzeiger für den „Raum Strausberg und Randberlin“ konnte man in der Ausgabe 22 einige Daten und Fakten zum Thema Armut in Deutschland lesen, die sich  offensichtlich auf den 3. Armuts- und Reichtumsbericht beziehen. Zum Schluss entgleist dem Autor jedoch die journalistische Sachlichkeit. Da es diesen Text online nicht zu lesen gibt, zitiere ich hier:

„Ein deutscher Obdachloser bezieht staatliche Sozialhilfezahlungen von circa 300 Euro pro Monat. Damit hat er ein Geldeinkommen, das höher ist als das Arbeitseinkommen eines ledigen Industriearbeiters in Ungarn, der einen Monatsnettolohn von 202 Euro bezieht, oder eines Arbeiters in der Slowakei, der 214 Euro pro Monat durch seine Arbeit verdient. Zusätzlich erhält der deutsche Obdachlose Unterkunft, Kleidung, medizinische Versorgung und oft auch Nahrung, kostenlos.“

Abgesehen davon, dass ein Großteil der Angaben nicht korrekt recherchiert ist, wird hier auf perfide Weise unterstellt, dass es sich der deutsche (?) Obdachlose (?) auf Kosten unseres Sozialsystems gut gehen lässt (ja quasi im Luxus lebt), während hart arbeitende Menschen mit weniger Geld auskommen müssen. Da hat der Autor die eingangs korrekt beschriebene Definition von relativer Armut (die sich am Durchschnittseinkommen eines Landes misst) offenbar gar nicht verstanden. Und wieso sucht er sich gerade die Gruppe wohnungsloser Menschen heraus? Da kann man nur spekulieren, welche Diskriminierungsgedanken hinter solch einem Artikel stehen. Eine Frage noch, Herr Dr. Donath: Dem ungarischen oder slowakischen Arbeiter geht’s doch super im Vergleich zu den hungernden Menschen in Bangladesch, oder???

Spenden fürs Jobcenter!

In einem Beitrag der Frankfurter Rundschau (FR) konnte man vor einigen Monaten die Erzählung von Pauline, 11 Jahre, nachlesen: „Wir sind arm“. Ein freundlicher Mensch wollte der Familie etwas Gutes tun und spendete insgesamt 250 Euro. Durch einen anonymen Hinweis wurde das Jobcenter Rostock auf die Spende aufmerksam und rechnete das Geld auf die monatliche Unterstützung an. Durch die Intervention des Spenders, der u. a. seinen Parteifreund Kurt Beck einschaltete,  sieht das Jobcenter nun doch von der Rückforderung ab – es handelt sich bei „Spenden und angemessenen Geschenken zu besonderen Anlässen“ nämlich immer um eine Einzelfallentscheidung. Fragt sich nun nur noch, welcher  Denunziant der kleinen Pauline die 250 Euro nicht gönnte.

Link zum Artikel in der FR